Auftraggeber: | Hallesche Verkehrs-AG (HAVAG) |
Fördermittelgeber: | Ministerium für Landesentwicklung und Verkehr des Landes Sachsen-Anhalt, gefördert mit Mitteln aus dem Europäischen Fond für regionale Entwicklung (EFRE) |
Projektlaufzeit: | 2014 – 2016 |
Die Sicherung der Mobilität aller Menschen stellt vor dem Hintergrund des demographischen Wandels in Deutschland eine der wichtigsten Aufgaben dar. Die Barrierefreiheit im ÖPNV wird durch das Ziel der Gleichstellung im Behindertengleichstellungsgesetz (BGG) zu einer Hauptaufgabe und ist gemäß Personenbeförderungsgesetz (PBefG) bis zum 1. Januar 2022 vollständig umzusetzen. Aus finanziellen und organisatorischen Gründen ist dies jedoch praktisch nicht realisierbar. Anwendungen aus dem Bereich der Intelligenten Verkehrssysteme (IVS) können hier zumindest die Information der Verkehrsteilnehmer/-innen verbessern.
Im Rahmenplan zur Einführung und Nutzung Intelligenter Verkehrssysteme im Straßenverkehr und Öffentlichen Personennahverkehr (ÖPNV) in Sachsen-Anhalt (IVS-Plan Sachsen-Anhalt) wurden u.a. auch die Umsetzung der Barrierefreiheit berücksichtigt und konkrete Maßnahmen benannt.
Vor diesem Hintergrund hat die HAVAG dieses Projekt entwickelt, beim Ministerium für Landesentwicklung und Verkehr des Landes Sachsen-Anhalt eingereicht und den Zuschlag bekommen. pwp-systems hat im Auftrag von und gemeinsam mit der HAVAG das Projekt bearbeitet.
Im Projekt wurden folgende Zielstellungen formuliert:
- Konzeption von IVS-Maßnahmen für den nicht motorisierten Verkehr (NMIV), um die Effizienz und Verkehrssicherheit an Knotenpunkten und potenziell gefährlichen Strecken zu erhöhen
- Konzeption für ein barrierefreies ÖPNV-Routing, welches in das derzeit im Auftrag des Landes Sachsen-Anhalt entwickelte Mobilitätsportal – ein webbasiertes, intermodales Verkehrsinformationssystem – eingebunden werden soll
- Umsetzung des Zwei-Sinne-Prinzips zur barrierefreien Information an der Haltestelle bzw. am Fahrzeug, indem durch ein Auslösekriterium an Haltestellen, die mit einer OFI ausgestattet sind, und an Fahrzeugen, die in einen Haltestellenbereich einfahren oder sich darin befinden, bei Bedarf eine Ansage ausgelöst werden soll
Methodisch wurde ein breit gefächerter Ansatz gewählt, dieser umfasste:
- Knotenpunktanalyse hinsichtlich Barrierefreiheit und der Belange des NMIV
- Bestandsaufnahme der technischen Systeme
- Recherche zum Stand der Technik
- Interviews mit Mitarbeitern der Stadt Halle
- Workshop mit Blinden- und Sehbehindertenverbänden
Aufbauend auf diesen Grundlagen wurde IVS-Maßnahmen für den NMIV, ein Konzept für das barrierefreie ÖPNV-Routing und die Umsetzung des „Zwei-Sinne-Prinzips“ an der Haltestelle und am Fahrzeug entwickelt. Die Zwischenergebnisse wurden Vertretern des Landes Sachsen-Anhalt vorgestellt und das weitere Vorgehen gemeinsam abgestimmt. Der Schwerpunkt des Projektes lag auf der Entwicklung der Ansagen an der Haltestelle und des Fahrzeuges zur Umsetzung des „Zwei-Sinne-Prinzips“. Der Inhalt der Ansagen und das Auslösekriterium wurden mit Vertretern von Blinden- und Sehbehindertenverbänden diskutiert und abgestimmt. Zum Auslösen der Ansagen wurde mit der RFID-Technik ein System aus Sender und Empfänger gewählt, bei dem berührungslos und geschützt vor Missbrauch automatisch eine Ansageanforderung ausgelöst werden kann. Das RFID-System ist übertragbar und somit in ganz Sachsen-Anhalt einsetzbar.
Während der Projektbearbeitung zeigte sich zudem, dass dieses System für eine IVS-Maßnahme des NMIV bezüglich der Barrierefreiheit eingesetzt werden kann. An durchgängig betriebenen Lichtsignalanlagen (LSA) der Stadt Halle (Saale) werden in den Abend- und Nachtstunden aus Gründen des Lärmschutzes die Signalgeber für Blinde und Sehbehinderte abgeschaltet. Die RFID-Technik kann eingesetzt werden, um bei Bedarf diese Signalgeber in den Abend-und Nachtstunden zu aktivieren und die LSA somit für Blinde und Sehbehinderte wieder barrierefrei zu gestalten.
Für die Anwendungsfälle Ansage des Fahrzeuges und Aktivierung der Signalgeber für Blinde und Sehbehinderte an LSA wurde die RFID-Technik auf dem Betriebshof der HAVAG prototypisch umgesetzt. Das System wurde Blinden und Sehbehinderten vorgestellt, die großes Interesse zeigten und deutlich unterstrichen, dass sowohl die Ansage des Fahrzeuges als auch die RFID-Technik an LSA sowie die nicht prototypisch umgesetzte Ansage der OFI eine sehr große Hilfe bei der Orientierung darstellen würden.
Abschließend wurden Hinweise zur Ausschreibung der Technik zusammengetragen sowie Handlungsempfehlungen und ein Realisierungskonzept zur Umsetzung der Barrierefreiheit in Sachsen-Anhalt erarbeitet.